Brno Russisch Austausch
Sonntag, 1.Juni 2025
Es war ein fließender Übergang von Deutschland zu Österreich. Zwar hat sich in der Landschaft nicht viel verändert, doch da war eben ein Freiheitsgefühl – dieses Flügel ausstrecken, das man beim Reisen hat. Wir haben zunächst am Wiener Bahnhof auf den nächsten Zug gewartet, und nach ein paar Minuten kam dann plötzlich die Vodafone-Nachricht: Sie befinden sich in Tschechien… Wir sind ausgestiegen, hinaus in die wohlige Juni-Wärme. Der Bahnhof in Brno war recht putzig – alles aus hellem Stein gebaut. Und unter all den Köpfen, die sich hektisch oder gemächlich drehten, entdeckten wir dann endlich unsere Austauschpartner! Wir haben uns umarmt, begrüßt, Belanglosigkeiten ausgetauscht- wie geht’s dir, wie war deine Fahrt? Schließlich sind wir alle aus der Halle getreten und eingetaucht in eine Welt, die noch nicht unsere war, in der wir aber von nun an fünf Tage wandeln würden. Als ich die Straße überquerte, mit dem Koffer in der Hand, war es, als würde Brno mich umarmen, mit Lärm und Gerüchen und der Wärme, mit brummenden Autos und Plakaten an den Wänden, mit den Menschen und mit den kleinen Balkonen, die an fast jeder Hauswand prangten – umsorgt und ab und zu mit ein paar Blumen und einem kleinen Tisch in der Mitte. Es war eine freundliche Umarmung, wie die eines Menschen, den man zwar nicht wirklich kennt, aber der einem sympathisch ist, über dessen Umarmung man sich freut.
Meine Austauschpartnerin meinte, Brno sei in der Nacht am schönsten, und es stimmte! Die Nächte – egal ob kalt oder warm – waren lau, irgendwie weich, sie haben sich angeschmiegt und gaben der ganzen Kulisse einen anderen Blickwinkel. Man musste sich nicht fürchten, die Dunkelheit war nicht unheimlich, sie brach nicht wirklich über einem zusammen, so wie manchmal in Stuttgart. Brno hat mich zwar stark an Stuttgart erinnert – die Skyline und die vielen Baustellen mit den Baukränen, sie fühlte sich ähnlich an wie in Stuttgart, aber irgendwie auch leichter, einfach so, als wäre man ein Teil davon. Ich hatte das Gefühl, dass die Wunden dieser Stadt, die Geschichte und die Umbrüche, offen behandelt und in gewisser Weise verwandelt wurden. Vielleicht lag es auch an der gemeinsamen Existenz von zwei Gegensätzen, von Alt und Neu, von Jung und Alt, von Tag und Nacht.
Nach der fast neunstündigen Zugfahrt verbrachte jede/r seinen Abend in der Gastfamilie.
(Pina, 9b)
Montag, 2. Juni 2025
Am nächsten Tag haben wir uns um 9 Uhr in der Schule versammelt. Das EKO GYMNÁZIUM BRNO ist eine Privatschule, die erst in diesem Schuljahr in ein komplett neu erbautes Gebäude eingezogen und entsprechend modern eingerichtet war. Neu und ungewohnt für uns war ein ausgebautes Sicherheitssystem und ziemlich strenge Regeln zur Beibehaltung der Ordnung an der Schule. Wir wurden herzlich begrüßt, mit Süßigkeiten und Tee, und auch mit musikalischen und szenischen Darbietungen, zum Beispiel mit einem Klaviervorspiel von einem Neuntklässler und einem russischsprachigen Gedichtvortrag der Achtklässler. Tomaš, einer der tschechischen Teilnehmer, präsentierte ein selbst erstelltes Video über seine Erlebnisse beim Austausch in Stuttgart. Es war eine unerwartete und freundliche Begrüßung, die jedem gefallen hat. Danach haben wir zusammen mit unseren Austauschpartnern eine Tasche kreativ mit Händeabdrücken und Stofffarben beschmückt, welche wir am Ende mit nach Hause nehmen konnten. Anschließend wurden wir von der Schulgründerin durch das Gebäude geführt.
Nach einer Suppenmahlzeit in der Schule nahmen wir das mitgebrachte Mittagessen am Stausee ein, bevor wir das Ausflugsschiff bestiegen. Das Programm der Tschechen stand unter dem Motto „Die Jahreszeiten – Bräuche und Traditionen“. Der Montag war dem Frühling gewidmet, wenn die Gewässer sich von der Kälte befreien und die Schifffahrt beginnt. Eine interessante Überraschung war, dass alle Ausflugsschiffe am Brünner Stausee die Namen der Partnerstädte tragen, so sollte unser Schiff eigentlich „Stuttgart“ heißen, doch zur großen Enttäuschung von Natalie Mižeková, der tschechischen Lehrerin, gab es Verwerfungen im Fahrplan und wir mussten uns mit der „Dallas“ zufriedengeben. Dennoch hatten wir einen wunderbaren Ausblick vom Dach des Bootes auf die frühsommerlich erblühte Natur. Nach der Rückkehr mit dem Bus hatten alle genug Zeit die gemeinsame Freizeit zu genießen. Manche blieben gleich am Gewässer und probierten sich mit Hilfe ihrer tschechischen Freunde gleich mal beim Wasserski-Sport aus.
(Eva, 10a und Daria, 10b)
Dienstag, 3. Juni 2025
Der Dienstag stand ganz im Zeichen des Sommers und der Sonne: beim schönsten Wetter unternahmen wir einen Ausflug in den Öko-Lehrgarten von Brünn, wo wir zusammen mit unseren Partnern Roboter mit Solarbatterien selbst gebaut und die blühenden Beete bewundert haben. Dem Namen der Partnerschule (EKO GYMNÁZIUM) entsprechend, pflegen die Schüler*innen dort an außerschulischen Orten die Nachhaltigkeit und Ökologie aus der praktischen Erfahrung zu lernen. Der Garten an sich ist nachhaltig und effizient auf einem Dach angelegt. Danach erfolgte der Besuch der Villa Tugendhat, wo wir außer dem sommerlichen Garten auch die moderne Architektur im Bauhausstil und das schöne funktionale Interieur angeschaut haben. Besonders schön fanden wir, dass die Villa nicht einfach nur zum Wohnen gebaut wurde, sondern als ein wegweisendes Beispiel der neuen Architektur. Nachdem wir die kulturelle Exkursion hinter uns hatten, sind wir spazieren gegangen und haben wieder einmal tschechisches Essen probiert. Die zweite Hälfte des Tages endete mit interessanten Informationen zu den drei Theatern in Brünn. Fun Fact: in Brünn gibt es drei offizielle Theater, in Prag nur eines.
(Lina und Sofia, beide 10a)
Mittwoch, 4. Juni 2025
Im Herbst startet für zahlreiche Kinder und Jugendliche die Schule, in Tschechien wie in Deutschland, so begann auch für uns am Mittwoch der Tag mit dem Unterrichtsbesuch. Wir bekamen einen Einblick in den Unterricht und konnten sehen, wie der Schulalltag in Tschechien abläuft. Die Lehrer*innen und Schüler*innen waren sehr freundlich, und es war interessant, die Unterschiede zu unserem eigenen Schulalltag zu beobachten. Wir konnten zwischen verschiedenen Unterrichtsstunden, unter anderem Russisch und Deutsch, aussuchen.
Am Mittag stand das Essen in der Schulkantine an. Das Essen war ungewohnt, aber lecker, und es war schön, mit unseren Austauschpartner*innen ins Gespräch zu kommen.
Am Nachmittag besuchten wir das Rathaus, wo wir ganz offiziell von der tschechischen Bildungsministerin begrüßt wurden. Das war ein besonderer Moment, denn es kommt nicht oft vor, dass man eine Ministerin persönlich trifft. Sie sprach über die Bedeutung von Austauschprogrammen und wie wichtig der kulturelle Austausch für junge Menschen ist.
Am Nachmittag gab es die Stadtbesichtigung, wo sich einige Bezüge zur russischen Kultur und Geschichte fanden, darüber hinaus die Thomas-Kirche, wo wir eine Orgelführung mit einem kleinen Konzert von einem der besten Organisten Tschechiens erlebten, bei dem wir mehr über das Instrument erfahren haben. Der Klang der Orgel war sehr eindrucksvoll und die Atmosphäre in der Kirche besonders feierlich.
Dank einer Russisch-Dolmetscherin wurde auch unser Sprachverstehen gefordert. Zum Abschluss des lehrreichen Tages gab es noch ein Programm im Planetarium und an der Sternwarte in Brünn. Wir erfuhren viel über das Universum, Sterne und Planeten – und konnten dabei auch einfach mal abschalten und staunen. Der wolkenlose Himmel gewährte einen freien Blick auf die Sterne und verabschiedete uns zur guten Nacht.
(Sofia und Lea, beide 10a)
Donnerstag, 5. Juni 2025
Am Donnerstag – im Zeichen des Winters – waren die die Punkva-Höhle, eine der bekanntesten Höhlen in Tschechien, unser Ziel. Nach der Ankunft waren zunächst nur Wälder und grüne Landschaft zu sehen. Doch schon bald begann die spannende Führung durch die Punkva-Höhle. Dort erwarteten uns faszinierende Felsformationen, skurrile Steinskulpturen und geheimnisvolle Geschichten. In der Höhle herrschen rund 8 Grad Celsius – ziemlich kühl, aber angesichts der einzigartigen Atmosphäre ein unvergessliches Erlebnis.
Nach der Führung gelangten wir zur Macocha-Schlucht. Der Anblick dieser tiefen Felsenschlucht war atemberaubend. Viele von uns waren sprachlos angesichts der Naturgewalt und Schönheit dieses Ortes – ein Moment, der uns lange in Erinnerung bleiben wird.
Ein weiteres Highlight war die Bootsfahrt auf dem unterirdischen Fluss, der durch die Punkva-Höhle fließt. Es war faszinierend: Über uns hingen mächtige Felsen in verschiedenen Formen, manchmal mussten wir uns sogar ducken.
Nach diesem Naturabenteuer fuhren wir zurück zur Schule. Alle trafen sich in einem Klassenraum, um gemeinsam über den Austausch zu reflektieren und Ideen für die Zukunft zu sammeln. Wir sprachen offen über unsere Eindrücke, lobten gelungene Programmpunkte und überlegten gemeinsam, was man beim nächsten Mal verbessern könnte. Vor allem die Kürze des Aufenthalts wurde mehrmals bedauert.
Am Abend kamen wir alle noch einmal bei einem der Austauschpartner zusammen. Wir grillten, saßen gemütlich beisammen und verbrachten den letzten Abend in fröhlicher Runde. Es war ein sehr schöner und emotionaler Abschied, denn schon am nächsten Tag sollte es zurück nach Stuttgart gehen.
(Anastasiia, 10a und Vladyslav, 8a)
Am Freitag, 6. Juni 2025, ging die Austauschbegegnung zu Ende. Der Austausch in Brno war unglaublich vielfältig, wir haben so viel gesehen, so viel gelernt und gelacht, geredet und geplant. Wir haben ein anders Leben kennengelernt, eine andere Stadt, eine andere Sprache, die so unterschiedlich und gleichzeitig ähnlich dem Russischen war, und natürlich andere Menschen. Als Erinnerung bleiben uns die Geschenke unserer Freunde und Magnete aus dem Rathaus, viele Fotos in der Handy-Galerie, die selbstbemalten Taschen und ganz viele Eindrücke! Und nicht zuletzt der Blick auf Brnos Häuser beim Sonnenuntergang…
Der Austausch in Brünn war eine tolle Erfahrung, die wir sicher nicht so schnell vergessen werden.
(Pina, 9b)