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„Wenn Gott ins Leben einbricht“

Mittwoch, 20 Uhr 15, Zweites Deutsches Fernsehen

Manchmal läuft an diesem Termin die Sendung „Aktenzeichen XY – ungelöst“ – die Älteren
unter uns kennen das noch. Gezeigt werden Kriminalfälle, die von der Polizei nicht
aufgeklärt werden können, und man erhofft sich von Zuschauern Hinweise, die zur Lösung
des Geschehens beitragen sollen.

Ein besonders schlimmer Fall, so berichten Betroffene, liegt vor, wenn bei der Tatbegehung
in ein Haus oder eine Wohnung eingebrochen wurde. Die Überfallenen berichten nicht
selten, dass in ihrem Leben nun nichts mehr ist wie zuvor, erzählen von Schlaflosigkeit,
Angstzuständen und Vertrauensverlust – das Sicherheitsgefühl ist erschüttert, und immer
wieder müssen Betroffene ihr bisheriges Zuhause verlassen, weil nichts mehr so ist wie
zuvor.

So ein Einbruch hinterlässt Spuren.

Von einem Einbruch ist auch in der heutigen Erzählung, der Weihnachtsgeschichte, die
Rede:

Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; es zeigte
sich, dass sie ein Kind erwartete – ein Gottesgeschenk, durch das Wirken des Heiligen
Geistes.

Maria und Josef erwarten überraschend ein Kind; unverheiratet, unvorbereitet, aus heiterem (?) Himmel – und nichts ist mehr wie zuvor: Schlaflosigkeit, Angstzustände wie soll das geschehen, Beziehungsfragen Josef, ihr Mann, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen, Zukunftssorgen – das Leben scheint aus den Fugen, alle Planung dahin.

Ein Einbruch ins Leben – einer von vielen, von denen die Bibel erzählt: Abraham zieht aus, zieht weg aus der vertrauten Heimat in unbekanntes Land; Mose flieht aus versklavenden Zuständen in die Wüste; ein Vater geht los, dem verlorenen Sohn entgegen: Wenn Gott ins Leben einbricht bricht es in Menschen auf, bricht neues Leben an, brechen Menschen auf. Nicht so schön harmonisch wie in Kinderbibeln oder Madonnenfiguren: Einbrüche bleiben Brüche, suchen nach Heilung und Zusammenhang. Die Bibel ver-dichtet das Leben in den Horizont Gottes hinein, in einen neuen Hinter-Grund, eine neue Sicht der Dinge, nicht selten einen Umkehr-Schluss. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Der Einbruch Gottes wird zum Ausbruch, zum Mut der Menschlichkeit, zur Gegenwehr scheinbarer Alternativlosigkeit.

Wir Menschen der Moderne tun viel, um unser Leben einbruch-sicher zu machen. Die Kehrseite der Medaille: Die einbruchsichere Welt ist auch ausbruch-unfähig geworden, zunehmend gefangen in kalten Strukturen der Berechnung, der Ichsucht, des Kalküls. Das Unvorhersehbare ist nicht mehr vorgesehen, leise verschwinden die weihnachtlichen Seelenräume und -träume in Kitsch und Geschäftigkeit. Corona hat auch unserer Schulgemeinschaft die Verletzlichkeit des Lebens aufgezeigt, und nicht wenige leiden bis heute an den Folgen einer Vereinsamung der Welt, deren äußere Sicherheiten zunehmend brüchig erscheinen…

Gott bricht ein in Betlehem, und nicht lange, und das Kind bricht aus aus der BiedermeierKrippe, bricht aus aus den einbruchsicheren Mauern des „Systems“:

„Verkaufe alles, was dich am eigentlichen Leben hindert “, hört der reiche junge Mann

„Geh‘ dem Verlorenen Sohn entgegen“, hört der enttäuschte Vater

„Wenn dich einer zwingt, eine Meile mitzugehen – geh‘ weiter mit, solange es nötig ist “,

heißt es da bei Jesus, dem Panzer-Knacker aus Nazareth. Er durch-kreuzt die lebensfeindlichen Grenzziehungen einer Welt ohne Güte, durchbricht die Mauern des „first“, gibt den Randständigen Raum und Stimme.

Das „Aktenzeichen Bethlehem“ ist Geschichte – Gottes Einbruchserie geht weiter. Folgen wir seinen Spuren. Die Geburt Jesu ist kein Idyll, sondern Programm, A-genda: „Fürchte dich nicht!“, hören wir die Engel auch heute sagen. Es werden nicht Männer mit Flügeln sein. Aber für Überraschungen ist Gott immer gut. Darum: Mach`s wie Gott – werde Mensch! Fürchte dich nicht vor der Mensch-Werdung.

Amen

M.Bünger